Vertane Chance: Tempo 30-Initiative in Leinfelden-Echterdingen abgelehnt
Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen in Leinfelden-Echterdingen, der Städteinitiative „Tempo 30“ des Deutschen Städtetages beizutreten, wurde im Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschuss abgelehnt.
Tempo 30 rettet Leben
Tempo 30 macht Straßen deutlich sicherer, vor allem für Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind.Verschiedene Studien zeigen, dass eine Kollision bei Tempo 50 erheblich gefährlicher für ungeschützte Verkehrsteilnehmer*innen ist als bei Tempo 30. Niedrige Geschwindigkeiten bedeuten ein deutlich geringeres Risiko für schwerste oder tödliche Verletzungen. Bei niedrigen Geschwindigkeiten sinkt zudem die Wahrscheinlichkeit einer Kollision eines Pkws mit ungeschützten Verkehrsteilnehmer*innen.
Radfahrer*innen reagieren sensibel auf das Verkehrsumfeld: Laut Fahrradmonitor 2019 geben 44% der Radfahrerinnen und Radfahrer an, sich nicht sicher oder überhaupt nicht sicher zu fühlen, wenn sie mit dem Rad im Straßenverkehr unterwegs sind. Viele von ihnen fühlen sich durch hohe Kfz-Geschwindigkeiten bedroht, vor allem dort, wo es keine separaten Radwege gibt. Niedrige Geschwindigkeiten sind daher wichtige Elemente der Förderung des Radverkehrs.
Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten" ("Initiative Tempo 30")
Bei der Anordnung von Höchstgeschwindigkeiten sind den Städten und Kommunen aktuell aufgrund gesetzlicher Vorgaben enge Grenzen gesetzt.
Die im Juli 2021 von den Städten Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm gegründete Initiative setzt sich deshalb gegenüber dem Bund dafür ein, dass die Kommunen selbst darüber entscheiden dürfen, wann und wo welche Geschwindigkeiten angeordnet werden – zielgerichtet, flexibel und ortsbezogen.
Die Kernforderung ist „ein neuer straßenverkehrsrechtlicher Rahmen, der es Kommunen ermöglicht, Tempo 30 als verkehrlich, sozial, ökologisch und baukulturell angemessene Höchstgeschwindigkeit dort anzuordnen, wo sie es für sinnvoll erachten – auch für ganze Straßenzüge im Hauptverkehrsstraßennetz und ggf. auch stadtweit als neue Regelhöchstgeschwindigkeit“.
Auf den Punkt gebracht:
- es geht um Möglichkeiten, nicht um Zwang
- es geht um eine Ausweitung kommunaler Handlungsspielräume, nicht um eine Beschränkung
Mittlerweile haben sich 267, nicht nur von grünen Bürgermeistern geführte Kommunen dieser Initiative angeschlossen. Unterstützt wird die Initiative von den kommunalen Spitzenverbänden. "Wir wollen in unseren Städten nicht flächendeckend Tempo 30 einführen. Und wir wollen keine pauschalen Regelungen für alle Städte. Aber wir wollen, dass Städte selbst entscheiden und neue Modelle von Geschwindigkeiten erproben können", so der Deutsche Städtetag.
Ablehnung des Beitritts von Leinfelden-Echterdingen nicht nachvollziehbar
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat bereits vor den Sommerferien beantragt, dass sich auch die Stadt Leinfelden-Echteringen dieser Initiative anschliesst. Der Antrag wurde am 13. September im Verwaltungs-, Kultur- und Sozialausschuss von der SPD und L.E. Bürger/DiB unterstützt, ist jedoch an der Ablehnung durch die Stimmen der Freien Wähler/FDP und der CDU gescheitert.
Man scheut Diskussionen mit Bürgern und will sich lieber auf Gesetze berufen, die aus Verkehrssicherheitsgründen mehr als fragwürdig sind, so der Konsens mehrerer Redebeiträge des Abends. Der aktuellen Rechtslage zufolge ist eine Reduzierung auf Tempo 30 auf Hauptstraßen nur möglich, wenn sich an diesen Straßen z.B. Kindergärten, Schulen, Altenheime oder Krankenhäuser befinden. Ist dies nicht der Fall, so muss der Nachweis erbracht werden, dass es sich um einen Unfallschwerpunkt handelt. Das widerspricht nach Auffassung des ADFC der Pflicht zu "Vision Zero" (keine Verkehrsunfälle mit Todesfolge oder schweren Personenschäden) aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur StVO als Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen.
Eine Änderung des rechtlichen Rahmens, der Kommunen mehr Selbstbestimmung bei der Gestaltung der innerörtlichen Regelgeschwindigkeiten einräumt, sollte im Interesse der Stadt sein. Schließlich war die Einführung von Tempo 40 auf der Echterdinger Hauptstraße erst möglich, nachdem die Unfallstatistik dort einen Gefahrenschwerpunkt belegt hatte. So lange muss nicht gewartet werden - die Entscheidung gegen den Beitritt zur Tempo 30-Initiative ist daher aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.