Neuer Bundeshaushalt bedeutet Vollbremsung für die Verkehrswende in den Kommunen
Bundestag und Bundesrat haben dem neuen Bundeshaushalt für 2024 zugestimmt. Dieser sieht drastische Kürzungen für den Radwegeausbau vor. Daher setzen nun auch Kommunen in Baden-Württemberg den Rotstift beim Radverkehr an.
Fast alle Radverkehrstöpfe geschrumpft
Im geplanten Haushalt von November 2023 sah es schon schlecht für den Radverkehr aus. Nun steht die Bundesregierung aufgrund weiterer Haushaltskürzungen der Verkehrswende richtig auf der Bremse. In fast allen Haushaltstiteln zum Radverkehr auf Bundesebene wurde im Vergleich zum Jahr 2022 und 2023 gekürzt. Schon im ursprünglichen Haushaltsentwurf für 2024 sanken die Investitionen des Bundes in die Radverkehrsinfrastruktur auf rund 400 Mio. Euro. Nun wurde um weitere 75 Mio. Euro gekürzt. Zum Vergleich: 2022 betrug der Etat 750 Mio. Euro und 2023 rund 560 Mio. Euro.
Komplett gestrichen wurde den Plänen der Regierung zufolge das neue Förderprogramm für Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen. Somit werden 1,5 Millionen dringend benötigte Fahrradabstellplätze an Bahnhöfen schmerzlich fehlen. Dass die Investitionen in Radwege an Bundesstraßen, für die der Bund zuständig ist, seit 20 Jahren stagnieren, kommt ebenfalls einer Mittelkürzung gleich, da die Baukosten stark gestiegen sind.
Kürzungen trotz großer Wirkung in den Kommunen
Besonders betroffen ist auch das Sonderprogramm Stadt und Land. 44,6 Millionen Euro weniger stehen im Haushalt bereit, um den ohnehin nur schleppend vorankommenden Ausbau der Radwege in den Kommunen zu unterstützen. Dabei hat gerade dieses Programm Wirkung in den Kommunen gezeigt. In Baden-Württemberg wurden 2023 nach Aussage des Landes sämtliche aus diesem Programm zur Verfügung stehende Mittel abgerufen. Der Bedarf ist – nicht nur in Baden-Württemberg – also vorhanden. Dass es auch in der Praxis Wirkung zeigt, wird beispielsweise anhand der Kommune Eislingen an der Fils sichtbar. Eislingen hat bereits 2015 ein umfangreiches Radverkehrskonzept auf den Weg gebracht, welches unter anderem die Umgestaltung von Knotenpunkten und den Um- und Neubau von Radwegen beinhaltet.
Eine der Maßnahmen ist ein neuer Kreisverkehr. Wo vorher die unübersichtliche und mühsam zu querende „Hirschkreuzung“ war, thront nun der neue „Hirschkreisel“. Die Stadt hat dazu Gelder aus dem Sonderprogramm Stadt und Land erhalten. Die Eislinger*innen können jetzt sicher und komfortabel zu Fuß und mit dem Rad diese Straßen passieren und haben dabei stets Vorrang vor dem Kfz-Verkehr. Das Beispiel „Hirschkreisel“ zeigt, dass Bürger*innen unmittelbar und direkt vor ihrer Haustür davon profitieren, wenn die Bundesregierung in den Radverkehr investiert und damit die Mobilitätswende vor Ort fördert.
Kommunen im Land stehen alleine da
Nun sind die Kommunen in Baden-Württemberg auf sich allein gestellt, wenn das Land die fehlenden Mittel nicht ausgleicht. Dass der Radverkehrsausbau stark darunter leiden wird, zeigt sich mancherorts im Land bereits jetzt. Der Landkreis Lörrach beispielsweise hat bereits den Rotstift angesetzt und eine von zwei Stellen für Radverkehrsbeauftragte gestrichen. Das bedeutet, es werden zukünftig wichtige Aufgaben offen bleiben, die für die Belange von Radfahrenden im Landkreis Lörrach von großer Bedeutung sind. Darunter ist unter anderem Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit für den Radverkehr im Landkreis, Teilnahme an Verkehrsschauen, Runde Tische Radverkehr und die Koordination Stadtradeln. Die Reduzierung der Haushaltstitel für den Radverkehr steht in Lörrach ebenfalls zur Diskussion.
Auswirkungen häufig erst verzögert spürbar
Derzeit sind noch Radverkehrsprojekte aus dem Sonderprogramm Stadt und Land in Höhe mehrerer hundert Millionen Euro für bereits in 2023 beantragte Projekte in der Pipeline. Das bedeutet: Bereits beantragte Projekte können weitestgehend umgesetzt werden. So werden die Kürzungen im Bundeshaushalt in großem Maße erst in ein bis zwei Jahren spürbar sein.
Straßenbauetat nicht berührt – Bundesregierung verfehlt Klimaschutzziele
Der Bundesfinanzminister gibt an, mit dem Bundeshaushalt 2024 alle Ausgaben auf den Prüfstand gestellt zu haben. Für den Straßenetat scheint dies nicht zu gelten. Denn die geplanten Ausgaben für den Straßenbau zeigen, dass Investitionen trotz Sparkurs möglich sind und infrastrukturelle Investitionen nach wie vor ideologiegeleitet sind anstatt das Gemeinwohl, die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden, die faire Aufteilung des Straßenraums und die Freiheit der Verkehrsmittelwahl auch auf dem Land in den Vordergrund zu stellen.
Der ADFC Baden-Württemberg hat schon im November kritisiert, dass der Etat für den Kfz-Verkehr bei den Kürzungen völlig unangetastet bleibt. Darüber hinaus wurden nun sogar die Mittel für Regionalflughäfen erhöht. Das sind Fehlsteuerungen, die den Nachhaltigkeitszielen der Bundesregierung diametral entgegenstehen. So ist nicht nur der Nationale Radverkehrsplan in Gefahr, sondern die Klimaschutzziele der Bundesregierung werden wissentlich verfehlt. Und das, obwohl die Verkehrsminister*innenkonferenz bereits im Jahr 2022 die Notwendigkeit der Fahrradmilliarde vom Bund verdeutlicht hat.
Chance aufs Fahrradland verfehlt
Der Bundeshaushalt 2024 wäre eine Chance für die Bundesregierung gewesen, einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaneutralität zu gehen, um Deutschland bis 2030 endlich zum Fahrradland zu machen, wie es auch im Koalitionsvertrag festgehalten wurde.
Mit dem nun vorgeschlagenen Haushalt steht allerdings eins fest: Deutschland wird im Radverkehrsausbau um Jahre zurückgeworfen und bleibt vom Fahrradland meilenweit entfernt.